Eine Woche später

Der Tag der Ankunft in Berlin stellte sich im Nachhinein als der Rekord-heißeste Tag des ganzen Jahres heraus, danach wurde es sehr schnell sehr mild. Für den letzten Blogbeitrag habe ich beschlossen einfach ein paar Fragen aufzugreifen, die mir in der letzten Woche gestellt wurden, um so etwas wie ein Fazit zu bekommen.


Na wie war’s?

Es war wild! Es war anstrengend, es war inspirierend, es war mal was anderes, es war heiß und laut und magisch und langweilig und es war ein ganzer Monat. Es war weder zu lang noch zu kurz, genau richtig, würde ich sagen. Ja, es war genau richtig. Es war ein bisschen wie ich es mir vorgestellt habe, aber mit mehr Ferienlager-Vibe. Es war nichts von dem, was ich befürchtet habe: dass ich rumstehe und nicht gebraucht werde, dass ich mich durch Unwissen oder Unvermögen blamiere, dass ich keinen Anschluss finde oder dass ich am Ende keine Schildkröten zu Gesicht bekomme.


Hast du das Gefühl, du hast jetzt Urlaub gemacht oder gearbeitet?


Definitiv beides. Ich bin schon froh, dass ich nach dem Projekt noch ein paar Tage Zeit hatte um anzukomen und nicht direkt ins nächste Projekt springen musste, wobei ich dadurch auch erstmal recht orientierungslos war. Ich muss daran denken, dass manche Leute ihre Urlaube nutzen, um Extremsportarten zu betreiben oder sich den kompletten Urlaub um ihre Kinder kümmern, was auch sehr anstrengend ist. In dieser Frage steckt ja, dass Urlaub Erholung ist und Arbeit etwas, von dem man sich erholen muss. In dem Monat selbst gab es sowohl Momente der Erholung (in der Hängematte liegen und lesen, Rotweintrinken am Strand) als auch Dinge, von denen ich mich erholen musste (sehr früh aufstehen und stundenlang durch den Sand gehen, tote Schildkröten sehen, Infomaterial durch die Gegend schleppen)und irgendwas dazwischen (meditatives Wäschewaschen). Und obwohl ich mit dem Eintreten in dieses Projekt, die Verantwortung über meinen Tagesplan an die Teamleiter:innen und ihre Schichtplangestaltung abgegeben habe, hatte ich das Gefühl, genug Kontrolle zu haben, um mich wohl zu fühlen. Im Großen und Ganzen wollte ich mich vom Künstlerinnen-Dasein erholen und das hat mir der Monat auf jeden Fall gebracht. Allein dadurch, dass ich mich mal einen Monat nicht selbst organisieren musste. Und auch dadurch, dass da weit und breit keine anderen Künstler:innen waren, was auch mal erfrischend war.


Würdest du es wieder machen?


Ich werde sowas auf jeden Fall wieder machen und ich kann es jedem wärmstens empfehlen, der oder die darüber nachdenkt, sich mal eine Auszeit zu nehmen und sich für den Tier-und Naturschutz zu engagieren. Ich hatte früher tausend Haustiere, meine Mutter war Tierärztin, ich liebe Tiere und trotzdem spielen sie in meinem Großstadt-Alltag überhaupt keine Rolle. Wobei wir mal einen Waschbär vorm Fenster hatten, eine Fledermaus adoptiert haben und erst vor kurzem eine Taubenfamilie auf dem Fensterbrett einzog (mittlerweile sind beide Eier geschlüpft, die Taubenküken groß geworden, ausgeflogen und wir haben das besetzte Kräuterbeet wieder zurückgewonnen). Ich habe mir über die letzten Jahre das Draußensein irgendwie abgewöhnt, dabei tut es mir sehr gut und es macht auch Spaß, wenn ich dort etwas Sinnvolles zu tun finde.

Ich glaube eher nicht, dass ich nochmal genau das gleiche Projekt machen werde, ich fand es schön, so viel Neues zu lernen und zu erleben. Also als nächstes vielleicht Esel in Spanien oder Bären in Kroatien? Ich finde es aber im großen Dschungel der Möglichkeiten gar nicht so leicht, ein vertrauenswürdiges Programm zu finden (wer also Tipps hat, gerne melden) und das mit dem Fliegen habe ich für mich auch noch nicht so ganz geklärt.


What’s it like being back in Germany?


Gestern Abend gab es hier im Wedding ein kostenloses Sommerkino mit Gratis Popcorn für den ganzen Kiez. Am Tag davor war ich im Spa. Ich war Mittagessen mit Freunden, Eisessen mit meinem Bruder, hab Tischtennis gespielt, bin an der Spree entlang spaziert und Anna hat jetzt ihre Hängematte in unserer Wohnung aufgehangen, in der ich meinen Thriller fertig lese. Ich habe Meetings und Brainstormings und beantworte brav meine E-Mails und genieße den Spätsommer in Berlin. Ich gestalte mir meine Zeit also ganz schön, auch ohne Mittelmeer. Vor zwei Tagen bin ich aus der Schildkröten WhatsaAppGruppe ausgetreten. Ich wollte irgendwie noch dabei sein, mitlesen, was passiert, ich habe sogar in den Schichtplan reingeschaut, um zu sehen, wer alles noch da ist und was sie so machen. Ich hatte auch noch viel Kontakt zu Leuten vor Ort oder denen, die auch schon abgereist sind. Ich habe eine Umfrage der Organisation beantwortet, in der ich meine Kritikpunkte unterbringen konnte und jetzt nach einer Woche fühlt sich diese Zeit auch schon wieder sehr weit weg an.

Wie geht's?

Mir geht es sehr gut. Ich bin erholt und inspiriert und freue mich auf die vielen großen und kleinen Dinge, die anstehen. Mein Kalender füllt sich rasch mit Auftritten und wirklich tollen Projektanfragen, auch im Theater. Und ich habe so viel neues Textmaterial, dass es für mindestens 30 Poetry Slam Texte, drei Theaterstücke oder einen ganzen Roman reichen würde. Bisher ist es aber einfach dieser Blog! Vielen Dank fürs Lesen und für die vielen lieben Nachrichten. Bis bald.

Meeresschidlkröten legen in ihrem Leben tausende Kilometer zurück, kommen aber immer wieder zurück nach Hause. 

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